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Interview mit Grace Mwagi, Arbeiterin auf einer fairtrade-zertifizierten Blumenfarm auf Kenia

21. März 2016
FTT Team
21. März 2016
FTT Team


Gut 90% der Schnittblumen in der Schweiz werden importiert, da die heimische Blumenproduktion die Nachfrage nicht decken kann. Seit 2001 gibt es fair gehandelte Blumen in der Schweiz. Am 15-jährigen Jubiläum von Fair Trade-Blumen von Max Havelaar (Schweiz) im Zürcher Hauptbahnhof hatten wir die Chance, Grace Mwangi zu interviewen. Die Rosenpflückerin arbeitet seit 12 Jahren in Kenia auf einer zertifizierten Fairtrade-Blumenfarm.

 
 
Foto © Ernst A.Kehrli
 
Liebe Grace, willkommen in der Schweiz und herzlichen Dank, dass du dir Zeit für uns nimmst. Du arbeitest als Rosenpflückerin auf einer Fairtrade-zertifizierten Blumenfarm in Kenia. Kannst du uns erzählen, wie du und deine Familie leben?
Gerne. Ich bin Mutter von zwei Kindern, einem 11-jährigen Jungen und einem 6-jährigen Mädchen. Ich bin alleinerziehend und versuche, mein Leben so zu gestalten, dass ich meinen Kindern ein gutes Leben ermöglichen kann. Daher lebe ich sehr organisiert und erstelle mir immer strukturierte Zeitpläne, um einen Überblick über mein Leben, meine Arbeit und mein Geld zu haben. Meine Kinder haben das Glück, ein Internat zu besuchen, weil ich es mir aufgrund meines Fairtrade-Lohnes leisten kann.
 
Wie sieht dein Alltag aus? Könntest du einen typischen (Arbeits-)Tag von dir beschreiben?
Normalerweise stehe ich um 5 Uhr morgens auf, da einige Verpflichtungen auf mich warten. Ich besitze eine Kuh und drei Schafe. Da ich keine Arbeiter habe, die für die Tiere verantwortlich sind, kümmere ich mich selber um sie, bevor ich zur Arbeit gehe. Ich melke die Kuh, füttere die Tiere und gehe dann zur Blumenfarm arbeiten. Durchschnittlich arbeite ich 7 Stunden und 30 Minuten am Tag, von 7.30 bis 16.00 Uhr.
 
Bringt dir Fairtrade konkret etwas im Alltag?
Ja, ich profitiere als Arbeiterin direkt sehr viel von Fairtrade. Ich arbeite in einem sicheren Umfeld, ich trage gute, schützende Kleidung, habe anständige Arbeitspensen und meine Arbeitsstelle ist grundsätzlich sicher. Ein weiterer Nutzen, den wir durch Fairtrade haben, ist die Community. Wir wohnen direkt lokal auf dem Gebiet, wo auch die Farm situiert ist.
Ich bin stolz auf Fairtrade, da ich einerseits direkt als Arbeiterin profitieren kann und es andererseits auch meiner Familie und der ganzen Community nützt. Wir haben auf dem Gelände auch ein Restaurant, wo wir essen können und es gibt sogar Computer, wo ich meine E-Mails lesen kann! Auch der Zugang zu medizinischen Behandlungen wurde sehr viel einfacher und wir haben die Möglichkeit, Sportteams zu bilden. Das ist eine super Motivation! Auch alleine die Tatsache, Geld als Lohn zu erhalten, macht mich stark.
 
Das letzte Mal, als du hier warst, warst du am Launch unserer Kampagne Fair Trade Town dabei. Seit einem Monat gibt es nun die erste Fair Trade Town, Glarus Nord! Und einige weitere sind auf dem besten Weg, ebenfalls Fair Trade Town zu werden.
Darüber bin ich sehr glücklich! Das motiviert mich sehr. Ich würde am liebsten alle dazu aufrufen, bei Fair Trade Town mitmachen und im Rahmen der Kampagne zusammen kommen! Je mehr wir sind, desto mehr zeigt das den Zusammenhalt zwischen den ProduzentInnen und den KonsumentInnen.
 
Warum findest du die Kampagne Fair Trade Town wichtig? Man könnte ja auch einfach nur Fair Trade-Produkte kaufen und es dabei belassen.
Ich finde die Kampagne sehr wichtig, da ich mir wünsche, dass das Thema Fair Trade immer weiter wächst. Daher ist es von grosser Bedeutung, nicht nur Produkte zu kaufen oder zum Kauf anzubieten, sondern die Idee dahinter zu verbreiten. Wir möchten, dass die ganze Welt von Fair Trade weiss!
 
Kenia ist eine der grössten Blumenproduzentinnen der Welt. Du hast grosses Glück, dass du für eine Fairtrade-zertifizierte Firma arbeiten kannst. Kennst du die Situation der anderen Arbeiterinnen und Arbeiter, die bei Firmen arbeiten, die nicht zertifiziert sind?
Die Situation dieser ArbeiterInnen ist leider überhaupt nicht gut. Ich kenne Ihre Lage, da ich auch Fair Trade-Botschafterin bin und oft mit ProduzentInnen von anderen Farmen in Kontakt bin. Sie erzählen mir dann ihre Probleme und Sorgen, die von Farm zu Farm unterschiedlich sind. Teilweise gibt es beispielsweise keine richtige, geschweige denn schützende Arbeitskleidung. Ein weiteres Beispiel ist, dass es oft keine angemessenen Arbeitsverträge gibt. Es kann sehr gut passieren, dass man an einem Tag Arbeit hat und am nächsten unangekündigt arbeitslos ist.
Ich bin daher sehr glücklich und stolz, seit 12 Jahren für eine Fairtrade-zertifizierte Farm und als Botschafterin arbeiten zu können!