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Faire Schokolade: Herausforderungen, Lösungen und Perspektiven

27. September 2024
FTT-Admin
27. September 2024
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Am Mittwoch 25. September organisierten der Service Agenda 21 – Ville durable der Stadt Genf und die Swiss Fair Trade ein Fachgespräch zu Thema nachhaltiger Kakao und Schokolade, das im Museum ethnographique de Genève (MEG) stattfand. Rund vierzig Akteur:innen aus der Branche – darunter Chocolatiers, Händler:innen, Verarbeiter, NGOs, Expert:innen sowie Dachverbände des Fairen Handels – kamen zusammen. Ziel war es, die aktuellen Praktiken zu diskutieren, Lösungen zu entwickeln und konkrete Schritte für eine nachhaltigere und gerechtere Branche zu erarbeiten.

Im Rahmen ihres Engagements als Fair Trade Town hat die Stadt Genf verschiedene Massnahmen ergriffen, um den Fairen Handel zu fördern. In diesem Jahr legt sie einen besonderen Schwerpunkt auf Kakao und Schokolade. Zwar ist die Schweiz für ihren Schokoladenkonsum bekannt, doch der Hauptbestandteil, die Kakaobohne, wächst nicht in unseren Breitengraden. Gleichzeitig wächst die weltweite Nachfrage nach Kakao, was die Probleme der Branche zunehmend komplexer macht. Einige dieser Herausforderungen werden in der neuen Ausstellung des Museums für Völkerkunde (MEG) mit dem Titel „Mémoires, Genève dans le monde colonial“ thematisiert. Vor diesem Hintergrund organisierten der Service Agenda 21 – Ville durable der Stadt Genf und die Vereinigung Swiss Fair Trade am Mittwoch, den 25. September 2024, ein Fachgespräch zu nachhaltigem Kakao und Schokolade im MEG.

Die Veranstaltung, die von Alfonso Gomez, Verwaltungsrat der Stadt Genf, eröffnet wurde, begann mit einer Führung durch die Ausstellung Mémoires, Genève dans le monde colonial. Anschliesssend präsentierte Yanick Lhommel von Fairtrade Max Havelaar die zentralen Herausforderungen und Problemstellungen eines nachhaltigen Schokoladenmarktes.

Im darauffolgenden Podiumsgespräch, das von Nicolas Filippov moderiert wurde, nahmen mehrere Expert:innen zum Thema nachhaltiger Kakao Stellung. Zu den Gesprächspartner:innen gehörten Dr. Inès Burrus (Equal Profit), Émile Germiquet (Carrack Chocolat) und Nicoletta Lumaldo (Plattform für nachhaltigen Kakao Schweiz). Aus den lebhaften Diskussionen kristallisierten sich zentrale Themen heraus, die potenziell zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Branche beitragen könnten.

Abgerundet wurde der Abend durch eine eindrucksvolle künstlerische Darbietung des kamerunischen Schriftstellers und Umweltaktivisten Samy Manga, die sowohl emotional als auch nachdenklich stimmte.

 

Key Take-Aways aus dem Podiumsgespräch „Wie fördern wir einen nachhaltigen und gerechten Übergang der Schokoladenproduktion in Genf?“

Rückverfolgbarkeit und Transparenz: Fragen stellen! Denn Fragen zu stellen bedeutet, Dialog zu führen. Es ist entscheidend, Anstrengungen zu unternehmen, um eine gerechte Lieferkette für alle Zutaten zu gewährleisten – nicht nur für den Kakao (auch Zucker, Milch, Kakaobutter usw.).

Fairtrade-Labels und Preismodelle: Der Einsatz von Labels wie Fairtrade, die gerechte Arbeitsbedingungen und einen fairen Preis für Produzent:innen garantieren, oder das Equal Profit-Modell, das eine proportional gerechte Einkommensverteilung basierend auf den tatsächlichen Kosten ermöglicht, sind wichtige Instrumente, um faire Entlohnung entlang der gesamten Wertschöpfungskette sicherzustellen.

Sichtbarkeit der Produzenten: Der/die „unsichtbare Produzent:in“ ist ein systemisches Problem im Vergleich zu den „Star-Schokoladenherstellern“. Es ist von zentraler Bedeutung, das handwerkliche Know-how der Produzent:innen zu würdigen und ihnen ein Gesicht sowie Anerkennung zu verschaffen. Diese Wertschätzung führt nicht zwangsläufig zu hohen Zusatzkosten, hat jedoch eine starke Wirkung. Initiativen wie Treegether und Beispiele wie Fairafric, die lokale Arbeit aufwerten, zeigen, wie ein grösserer Teil des Gewinns in den Produzentenländern bleiben kann.

Vereinigung und Zusammenarbeit: Einerseits gibt es die Produzent:innen, die durch starke Genossenschaften zusammenarbeiten, und andererseits die Chocolatiers, die in ihren Verbänden oder durch Organisationen wie die Plattform für nachhaltigen Kakao Schweiz organisiert sind. Diese Partnerschaften und Kooperationen ermöglichen es, Herausforderungen gemeinsam anzugehen und Ressourcen sowie Wissen zu teilen.

Wertschätzung des Engagements: Eine Kommunikation über den Ursprung des Schokoladenprodukts kann dessen Wert sowie das handwerkliche Know-how der Produzent:innen hervorheben. Die Arbeit der Produzent:innen – insbesondere in kleineren Genossenschaften – sollte den Konsument:innen nähergebracht und von ihnen anerkannt werden.

Marktkonzentration: Kleine Schokoladenmanufakturen und Confiserien machen nur einen kleinen Teil des globalen Marktes aus. Ihr Einfluss bleibt begrenzt, da multinationale Konzerne Unternehmen und Staaten oft zu niedrige Preise für die Produzent:innen festsetzen (z. B. in der Elfenbeinküste, Ghana). Allerdings ist der Gegensatz zwischen „guten“ und „bösen“ Akteuren keine konstruktive Herangehensweise. Die Teilnahme an einem kleinen Marktanteil bedeutet nicht, dass man keinen Einfluss hat.

 

Weitere Herausforderungen, die angesprochen wurden, fordern eine breitere Reflexion über Massnahmen für eine gerechtere und nachhaltigere Branche:

Öffentlichkeit sensibilisieren: Konsument:innen zeigen noch wenig Interesse an den Themen Nachhaltigkeit und stellen selten Fragen zur Herkunft oder den Produktionsbedingungen ihrer Schokolade.

Komplexität der Labels: Der Zugang marginalisierter Produzent:innen zu Zertifizierungen wie Fairtrade ist oft schwierig, was ihre Reichweite einschränkt. Darüber hinaus entspricht das Fairtrade-Label möglicherweise nicht immer dem Markenimage, das kleinere Chocolatiers bevorzugen, die häufig auf lokalere und massgeschneiderte Ansätze setzen.

Westliche Perspektive: Es ist wichtig, keine Standards für Gleichheit zu erzwingen, die die lokalen, kulturellen und wirtschaftlichen Realitäten der Produzentenländer nicht berücksichtigen.

Rolle der Konsument:innen sowie der Staaten: Das Verhalten der Konsument:innen zu ändern, ist eine komplexe Aufgabe. Eine Lösung könnte in politischen Massnahmen liegen, wie etwa Umweltsteuern oder Anreizen, um den Konsum nachhaltiger zu gestalten.

Angesichts dieser Herausforderungen zeigen kleine lokale Initiativen bereits Wege auf. Doch ein globaler Wandel erfordert eine Transformation auf makroökonomischer Ebene.

Wir danken allen Teilnehmenden sowie den Referent:innen herzlich für ihr Engagement und die bereichernden Diskussionen, die zum Erfolg des Abends beigetragen haben. Ein besonderer Dank gilt auch dem MEG für seine Gastfreundschaft und die spannende Führung durch die Ausstellung „Mémoires, Genève dans le monde colonial“. Dieser einzigartige Rahmen brachte die Diskussionen des Abends hervorragend in Verbindung mit der Geschichte und den aktuellen Herausforderungen des nachhaltigen Kakaos.