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«Fairer Handel ist eine ethische Notwendigkeit»

Samstag, 3. September 2016
FTT Team
Samstag, 3. September 2016
FTT Team

Perspektiven. Das Magazin zum Lesen und Handeln. 

«Fairer Handel ist eine ethische Notwendigkeit»  

Interview mit Martin Laupper

 

Glarus-Nord macht es vor: Die ländliche Gemeinde ist die erste «Fair Trade Town» der Schweiz. Gemeindepräsident Martin Laupper ist stolz auf die Vorreiterrolle und will weitere Betriebe für fairen Handel gewinnen.
 

Perspektiven: Wie schmeckt der neue Fair Trade-Kaffee, den es seit diesem Frühjahr auf Ihrer Gemeindekanzlei gibt?
Martin Laupper: Sehr gut, und das will etwas heissen – ich bin ein Kaffeefan. Wenn es nicht so wäre, würde ich bald einmal reklamieren. Wir Glarner sind ziemlich direkt miteinander, und da auch von Mitarbeiter- Seite nichts mehr zu vernehmen ist, gehe ich davon aus, dass der Kaffee allen schmeckt. 

Glarus Nord mit 17 500 Einwohnern ist die erste «Fair Trade Town» des Landes – eine weltweite Auszeichnung für Gemeinden, die auf fairen Handel setzen. Sie haben sich massgeblich dafür eingesetzt. Woher rührt Ihr Engagement?
Wir sind heute informiert über die weltpolitische Entwicklung, und die Frage stellt sich doch uns allen: Wie verhalte ich mich angesichts von Unterdrückung, Armut, Hunger, Extremismus, Bürgerkrieg? Ich möchte Gegensteuer geben und ausbrechen aus der Ohnmacht – nicht nur als Einzelperson, sondern als Gemeinde, die sich sagt: Lasst uns zusammenstehen, die Welt mitprägen, eine Kultur der Fairness pflegen. Fair sein mit unseren Handelspartnern ist nicht nur edel, sondern eine ethische Notwendigkeit.

Sie haben sich verpfl ichtet, Läden, Restaurants, Hotels und Firmen für fair produzierten Handel zu gewinnen. Gelingt Ihnen dies?
Viel besser als ich dachte. Wir haben schnell die geforderte Zahl von Partnern gefunden. Einige führten bereits Fair Trade-Produkte, vereinzelte haben eigens Produkte geschaffen, ein Confi seur etwa bietet Kuchen mit Mangos aus fairem Handel an. Ich bin überzeugt, dass das Potential noch gross ist. Viele sind aufs Thema sensibilisiert und Kundinnen und Kunden vermehrt bereit, den fairsten und nicht einfach den günstigsten Preis zu bezahlen

Was versprechen Sie sich von diesem Titel?
Wir setzen ein Zeichen und stecken im besten Fall weitere Gemeinden an. Die Schweiz ist in vielem privilegiert – uns steht es gut an, in diesem Bereich mehr Verantwortung zu übernehmen. Dass wir als Gemeinde eine Vorreiterrolle spielen, macht uns stolz und ist für uns eine grosse Chance. Glarus Nord kann sich als Standort von Unternehmen positionieren, die dank positivem Image einen legitimen Wettbewerbs-Vorteil erlangen.  

Glarus hat in seiner Wirtschaftsgeschichte immer wieder eine Vorreiterrolle eingenommen. Wie kommt das?
Das ist tatsächlich interessant. 1848 setzte der Kanton als erster das Fabrikgesetz um und verbot Kinderarbeit, 1864 entstand der erste Konsumverein, 1916 führte Glarus die AHV-Gesetzgebung vor allen anderen ein. Woher dieser Pioniergeist kommt, kann ich nur vermuten. Wir organisieren uns mit unseren Landsgemeinden basisdemokratisch, haben Respekt vor der Natur und wissen, dass die Lebensbedingungen nicht für alle gleich sind. Entsprechend gross ist unser Bedürfnis nach Ausgleich und die Sorge um die nächste Generation.

 Interview: Pia Seiler

 

Die Kampagne «Fair Trade Town» zeichnet Gemeinden aus, die sich für fairen Handel engagieren – seit 2000 sind es 1800 Orte weltweit. Schweizer Kampagnenstart war 2014, unterstützt von Fastenopfer, Brot für alle und 13 weiteren Organisationen. Erster Titelträger ist Glarus Nord, 19 Orte sind Anwärter. www.fairtradetown.ch